Kunstraum Kraut: Eine große Leerstelle
In der zum Stadtmuseum gehörenden Nikolaikirche ist links nach dem Eingang die barocke Kapelle der Stifterfamilie Kraut. Hier befand sich einst ein großes Wandbild, die „Auferstehung“ des gekreuzigten Christus eines unbekannten Malers von 1724. Seit Kriegsende 1945 ist das Werk verschollen. Schon sechs in Berlin lebende Malerinnen und Maler haben seit Sommer 2021 im Wechsel ihre jeweils stilistisch völlig unterschiedliche und nicht unbedingt religiös geprägte Variante zum Auferstehungsthema in den riesigen Sandsteinrahmen eingepasst. Stadtmuseumskurator Albrecht Henkys gewann sie alle für das Langzeitprojekt. Christa Jeitner, Jahrgang 1935, eine abstrakt und minimalistisch arbeitende Künstlerin, übernahm die siebte Variation.
Statt eines neuen Wandbildes für das Verschollene nur ein Vorhang: Christa Jeitners Kunst-Thema ist der Verlust.
Der Aggressionskrieg Putins im Bruderland Ukraine, all die bekannt gewordenen Verbrechen und Gräueltaten seit 100 Tagen veranlassten Jeitner, die umrahmte Wand in der Kapelle nackt zu lassen, auf bildlich Erzählendes zu verzichten. Nur einen groben Leinenvorhang hat sie angebracht, darauf ein Foto vom verschollenen historischen Gemälde, und darunter liegt in einem Häufchen Schutt eine verbrannte Gestalt, ganz ähnlich den Opfern des Massakers der russischen Armee im ukrainischen Butscha. Das Bild der Hoffnung bleibt zerstört. Ein Schmerzenssignal. „Ich sehe mich zu keiner Form von Wiederholung des verlorenen Auferstehungsgemäldes veranlasst, auch nicht als zeitgenössische oder abstrahierende Interpretation. Mein Thema ist der Verlust“, so die Künstlerin.
Ingeborg Ruthe. Die Kulturtipps der Berliner Zeitung, online
Fotos: Micha Winkler (1, 2), privat (3, 4)